„Beim hybriden Arbeiten stehen wir erst am Anfang“
 
Hybrides Arbeiten

„Beim hybriden Arbeiten stehen wir erst am Anfang“

In der Post-Corona-Zeit läuft beim Trend zum Homeoffice längst nicht alles gut, meint Wissenschaftler Stefan Rief. Er macht sich Sorgen um die Innovationskraft der Unternehmen, glaubt aber, dass es digitale und organisatorische Lösungen gegen soziale Erosion und für mehr inspirierende Kontakte gibt. Rief ist Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.

Im Gespräch mit Michael Gneuss
Bildquelle: iStock | MamikaStock

Herr Rief, Sie erarbeiten Studien zum Thema der hybriden Arbeit in der Post-Corona-Zeit und führen dazu Umfragen unter Mitarbeitenden in Unternehmen durch. Welche Erfahrungen machen Sie dabei?

Es gibt Bereiche, in denen die hybride Arbeit sehr gut funktioniert, aber auch solche, in denen es nicht so gut läuft. Insgesamt wird das Thema viel zu eindimensional diskutiert: Es geht nur um gut oder schlecht. Tatsächlich wird die Neuorganisation der Arbeit in der Post-Corona-Epoche die Qualität und Kultur in den Unternehmen sehr stark prägen und auch verändern. Und wichtig ist: Wir stehen beim hybriden Arbeiten nicht am Ende, sondern erst am Anfang einer Entwicklung.

Was läuft denn nicht gut?

Auffällig ist der hohe Anteil – etwa 40 Prozent – der Mitarbeitenden, die sagen, dass sie nicht mehr so gut einschätzen können, wie es ihren Kolleginnen und Kollegen geht und ob sie noch genauso engagiert arbeiten wie zuvor. Es fehlt also die Empathie füreinander. Ich mache mir vor allem Sorgen, wie sich die soziale Erosion auf die Innovationskraft in den Unternehmen auswirkt.

Warum?

Es zeigt sich, dass die Kommunikation in den engeren Teams auch beim hybriden Arbeiten gut funktioniert. Aber das spontane, inspirierende Miteinander darüber hinaus nimmt ab. Die Impulse für Inspiration und Innovation kommen in der Regel aber nicht von den Menschen, zu denen ich jeden Tag Kontakt habe, sondern eher von denen, die ich selten oder zufällig treffe.

Deshalb achten viele Unternehmen darauf, dass ihre Mitarbeitenden an einer bestimmten Anzahl von Tagen wieder ins Büro kommen. Reicht das nicht?

Ja, so wird das gemacht, und deshalb glauben viele Führungskräfte, dass sie das hybride Arbeiten im Griff haben. Aber die Präsenz wird meiner Ansicht nach oft viel zu statisch organisiert. Es gibt feste Zeitinseln, zu denen sich die Teams in ihren Büros treffen, und die einzelnen Personen sehen wieder nur diejenigen, zu denen sie ohnehin immer Kontakt haben.

Kennen Sie eine Lösung für das Problem?

Ich glaube, dass Lösungen entwickelt werden können – und zwar sowohl in organisatorischer Hinsicht als auch mithilfe von digitalen Werkzeugen.

Was muss anders organisiert werden?

Zunächst müssen wir ein starkes Bewusstsein für die Vor- und Nachteile der hybriden Arbeit entwickeln. Natürlich sparen wir Zeit, wenn wir im Homeoffice bleiben. Dem steht das Problem der sozialen Erosion gegenüber. Meiner Ansicht nach gibt es eine grundsätzliche Voraussetzung für das hybride Arbeiten: nämlich das Verständnis dafür, dass es nicht nur um mich geht, sondern auch um die Organisation, in der ich ein Teil für die anderen bin – mit meinem Dasein, meiner Empathie, meinem Wissen und meiner Fürsorge.

Und organisatorisch …

… gibt es eine Fülle von Möglichkeiten: vielleicht zwei Wochen im Büro und dann wieder zwei Wochen im Homeoffice, um nur ein Beispiel zu nennen. Entscheidend ist, dass wir Erfahrungswerte sammeln, wann und wie uns die Präsenz im Büro etwas bringt. Dazu könnten auch Daten, zum Beispiel aus Kollaborationssoftware, genutzt werden. Denkbar wäre auch, dass Meldungen erfolgen, wann bestimmte Personen sich in einer Buchungssoftware für einen Arbeitsplatz eintragen. Fest steht für mich nur: Wir müssen an der hybriden Arbeit noch arbeiten, damit sie am Ende tatsächlich ein Fortschritt ist.

Erschienen Dezember 2023 in Unsere Zukunft

Stefan Rief, Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Porträt: Stefan Rief, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO